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City of Trees

Ein bewegender Roman über die Liebe in allen Facetten | Chantal-Fleur Sandjon

E-Book (EPUB)
2024 Thienemann In Der Thienemann-esslinger Verlag Gmbh
389 Seiten; ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-522-62206-6

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€ 16,99

  • noch nicht lieferbar, erscheint 05/2024
  • Als Hardcover erhältlich
  • Kurztext / Annotation
    Zwei Jahre sind vergangen, seitdem Lindiwes Schwester Khanyi verschwunden ist. Im Wald am Stadtrand Berlins wurde Khanyi das letzte Mal gesehen, hierhin zieht es Lin immer wieder. Der Wald nimmt zunehmend Raum in ihrem Leben ein, Lin hat Blackouts und wacht unter Laubbergen auf, Moos beginnt auf ihrer Wange zu sprießen. Und sie hört immer häufiger die Stimme ihrer Schwester, wenn sie sich in der Natur verliert. Lin spürt, dass sie sich verändert, ohne es richtig greifen zu können - bis Zenzile in ihr Leben tritt. Zenzile, die junge Frau, die mit Lins Großmutter aus Südafrika zu Besuch kommt. Zenzile, die schon länger ähnliche Veränderungen an sich selbst bemerkt. Zenzile, deren Nähe Lin Wurzeln schenkt und nach der Weite des Himmels greifen lässt. Gemeinsam lüften die beiden das Geheimnis des Waldes und kommen Kahnyis Schicksal auf die Spur. Der neue Jugendroman der preisgekrönten Autorin von 'Die Sonne, so strahlend und Schwarz' - fesselnd, sprachgewaltig und überraschend.

    Chantal-Fleur Sandjon wurde 1984 in Berlin geboren, wo sie heute nach Stationen in Johannesburg, London und Frankfurt wieder lebt. Als afrodeutsche Autorin, Lektorin und Spoken-Word-Künstlerin gilt ihr Interesse besonders der vielschichtigen Darstellung Schwarzer Lebenswelten in Deutschland. Sie ist noch immer auf der Suche nach der perfekten Papaya und der schrägsten Metapher. Ihr erster Versroman, 'Die Sonne, so strahlend und Schwarz', wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. 2023 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.

    Beschreibung für Leser
    Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

    Unter der Dusche beeile ich mich.

    Wir sind bereits viel zu spät dran, weil ich nicht aufhören konnte, ihrer Stimme und der Melodie zu folgen, um sie endlich wiederzufinden. Die Worte des Lieds plätschern aus meinem Mund und fließen mit dem Wasser den Abfluss hinab. Ich verstumme schnell, als es an der Tür klopft.

    »Lindiwe, Turbo!« Baba ruft durch die geschlossene Tür. »Du weißt es seit Wochen, heute müssen wir echt mal pünktlich sein ...«

    »Askies!«, antworte ich als Entschuldigung.

    Überall an mir klebt noch der Wald. Beim Einschäumen flattern goldgelbe, herzförmige Blätter und farnähnliches Grün aus meinen Achseln herab, werden vom Duschstrahl niedergedrückt, verlieren ihre Form im matschigen Gemenge zu meinen Füßen. Die Melodie streicht erneut über meine Lippen, noch bevor ich mich stoppen kann. Nicht das erste Mal, dass ich sie im Wald gehört habe. Auch nicht das erste Mal, dass ich sie mit nach Hause bringe, hinter Türen, die geschlossen sind. Es ist der Käfer, sagt das Lied. Er zeigt uns den Weg nach Hause. Er zeigt uns den Weg in die Zukunft.

    Nach dem Duschen, ein schneller Blick in den Spiegel: Meine Haare sind mal wieder einen Fingerbreit über Nacht gewachsen. Ich schiebe sie etwas über die Beule an meiner Stirn und rasiere den Undercut nach, so wie ich es seit Wochen fast jeden Morgen tun muss. Mit einer kleinen Schere kürze ich auch den Flaum auf meiner Wange, schmiere etwas von Khanyis Concealer drüber, bis das Grün nicht mehr hervorscheint. Ich mache es nicht gerne, denn Geheimnisse sind wie Wunden, wenn du sie einfach verdeckst, anstatt sie zu reinigen, können sie nicht heilen. Sie brauchen Luft, Sonne, sie wollen gesehen werden. Aber dieses Geheimnis kann ich anderen nicht zumuten, meine Eltern tragen schon so viel, nicht das auch noch. Es wiegt schwer wie ein ganzer Wald, Khanyis letztes Vermächtnis an mich.

    Mamas Pulli riecht nach Schweiß. Der Geruch schwappt mit jeder ihrer Bewegungen zu mir herüber, will ankern, direkt in meiner Nase. Ihre Haare hat sie auch seit zwei Wochen nicht mehr gewaschen. Bis jemand in der Tanzschule endlich mal etwas sagt, kann es nicht mehr lange dauern, auch Trauer besitzt ein Verfallsdatum als Entschuldigung.

    Zu fünft stehen wir am Flughafen, ganz vorne bei der Ankunft. Meine Brüder, die Zwillinge Mandlenkosi und Bonginkosi, haben ein Schild gemalt

    - SANIBONANI, GOGO! -

    mit einem gespiegelten S und As, die Spagat üben. Zusammen, sagen sie, obwohl alle wissen: Mandla war's alleine. Wer sonst kann mit fünf schon schreiben?

    Mandla hat es sich vor ein paar Monaten mithilfe von Cornflakes-Packungen und Bildwörterbüchern selbst beigebracht. Baba ist sogar in den muffligen Keller gegangen, um unsere alten Schulbücher und Schreibhefte sowie Mamas verstaubte Zulu-Lernbücher hochzuholen.

    Alle meine Geschwister sind Genies. Mandla, das Lese- und Schreibwunder. Bongi kann jedes Instrument spielen, das er in die Hände kriegt, seit über einem Jahr nimmt er Klavierunterricht bei Ntate Pitso. Khanyi gehörte schon immer das Tanzstudio. Und mir? Mir gehört nichts, außer etwa 30 bestickten Stück Stoff und dem Black-Futures-Regal in unserer Schulbibliothek, das ich selbst eingerichtet habe. Nichts davon ein Talent, zumindest in meiner Familie.

    Heute am Flughafen ist unsere Familien-Reihenfolge von links nach rechts:

    Ich Baba Mandla Bongi Mama

    und in all den Zwischenräumen

    anstelle von Luft zum Atmen:

    siesiesiesie

    Khanyi

    so viel Platz einnehmend

    als gäbe es zwei von ihr.

    Sie hat uns alle immer verbunden, jetzt verbinden Baba und mich nur unsere Hände in den Hosentaschen, unsere festen Beine auf dem festen Boden, die leicht nach vorn gebeugte Haltung, als würden wir immerzu mit dem Wind kämpfen. Uns trennen ein halber Kopf an Größe, ein paar Jahrzehnte und unterschiedliche Hauttöne, die sich oft in unseren Erfahrungen widerspiegel